Das ist ganz einfach: keinen Durchfall, keinen überhitzten Motor und keine lebensmüde LKW-Fahrt. Aber warte - wir sind ja auf Weltreise und jeder Tag scheint neue Herausforderungen zu bringen. Das ist die einzige Konstante in diesem Leben ohne Gewissheiten und Sicherheiten, dass wir trotzdem sehr genießen. Aber wie immer der Reihe nach...
Gefahrene Strecke: Bukhara (Usbekistan) - Osch (Kirgistan)
Bereiste Länder: Usbekistan, Kirgistan
Gefahrene Kilometer: ~1.000
Da sind wir nun also in Bukhara, dem Zentrum Islamischer Baukunst. Bei dem Wort Islamisch durchzuckt es uns mittlerweile immer für einen kurzen Augenblick, da wir unwillkürlich an die vollverschleierten Türkinnen und Iranerinnen zurückdenken, drakonische Strafen, vor den Augen der Besitzer getötete Haustiere (ja sowas gibt es im Iran, weil Haustiere „Sünde“ sind) und so viele Regeln und mögliche Verstöße, dass uns ganz schwindlig wird. In Usbekistan dagegen zeigt sich schnell die schöne und entspannte Atmosphäre eines säkularen Islamischen Staates. Keine bösen Blicke, weil wir kurze Sachen tragen und unsere sündigen Körper bloßlegen um nicht vor Hitze zu sterben bei 45 Grad im Schatten – herrlich. Außerdem sind wir hier in Sicherheit vor den Schmugglern, die uns die Nacht zuvor zum Schlafen und Wegschauen verdonnert haben. Mitten im Zentrum finden wir nach einiger Hilfe von Einheimischen und Ellis unglaublichem Verhandlungsgeschick bald ein tolles Guest House für 16 Dollar die Nacht und machen uns bereit für einen schönen Stadtbummel in der Dämmerung. Den genießen wir dann auch für etwa eine Stunde zwischen uralten Moscheen und Palästen, nach altem Fett stinkenden Hot Dog Buden und kitschigen Kinderspielzeugen mit Münzeinwurf.
Zunehmend leiden wir unter dem Druck, den uns die in den Visa festgeschriebenen Einreisezeiträume aufbrummen. Die Mongolei fordert uns in ihrem Visum z.B. dazu auf, vor dem 10.08. einzureisen. Das sind noch etwa 20 Tage – viel zu wenig um halbwegs entspannt den Pamir Highway zu fahren (unser Highlight und der Reisegrund in dieser Region), den geplanten Service mit Reifenwechsel in Osch, Kirgistan durchzuführen und dann noch mal eben Kasachstan hinter uns zu bringen, bevor es durch Russland von hinten durch die Brust ins Auge in die Mongolei geht. Doch zu dem Zeitdruck gesellt sich auch noch ein ganz anderer Druck: Es ist Zeit über Durchfall zu sprechen, Leute. Doch, doch, doch, doch! Wir hatten doch angekündigt und versprochen, offen über alle unsere Höhen und Tiefen zu berichten. Also, siehe hier, worauf du dich eingelassen hast: Seit wir in den Iran gereist sind, suchen uns immer wieder Durchfälle heim. Zuerst haben wir bestimmte Gewürze im Verdacht, bald haben wir aber keine Ahnung mehr woran es liegt, zumal es auch fast immer uns beide trifft. Wenigstens haben wir kein Fieber und können mit einigen notgedrungenen Pausen weiterfahren. Allerdings sind häufige Magenschmerzen und das vom Mopped direkt zur nächsten Toilette oder hinter den nächsten Busch Springen irgendwann doch recht elende Reisebegleiter. Aber hey, immerhin haben wir die ekelhafteste Toilette gesehen, die wir uns bisher vorstellen konnten… Die hätten wir sonst sicherlich verpasst und das wäre allzu schade gewesen. Das Leben wäre einfach nicht mehr dasselbe ohne diese Erfahrung. Wir nennen sie liebevoll die Spartoilette, denn nach ihrem Besuch brauchten wir den ganzen Tag nicht mehr an Essen zu denken!
Was fehlt, wenn alles da ist? Also jedes Problem da ist? Durchfall, Zeitdruck, Kriminelle und nervöse Polizisten? Richtig, eine Panne. Da fahren wir also morgens (nach dem dritten Gang zur Toilette) nach Samarkand und müssen feststellen, dass die ersten fünfzig Kilometer bis zur nächsten Hauptstraße eine absolute Zumutung für Mensch und Maschine sind. Schotter, Wellblechpiste, Asphalt mit Mondkratern und knöcheltiefer Kies wechseln sich mit knietiefen Spurrillen ab und unser armes Motorrad scheppert, kracht und knackt, dass es uns vor Mitleid die Tränen in die Augen treibt. Als wir die Strecke hinter uns haben und eine wohlverdiente Pause einlegen (nein, nicht um auf Toilette zu gehen! Tsss…), fällt uns auf, dass es unter dem Motorschutz tropft. Zuerst befürchten wir das Schlimmste: austretendes Motoröl. Während wir darüber diskutieren, ob uns der Kolben durch den Tank ins Gesicht fliegen wird, oder die Maschine direkt explodieren und ohne uns weiterfahren wird, stellt sich nach anfänglicher Hysterie heraus, dass es sich um Kühlwasser handelt. Der Tank ist aber noch ausreichend voll, also fahren wir mit etwas beschaulicherem Touristentempo weiter, in der Hoffnung, dass der Motor nicht kurzfristig Hitzefrei nimmt. Etwa hundert Kilometer später überholen uns zwei BMWs aus Tschechien. Wir winken kurz, halten dann an und plaudern ein wenig, froh, endlich mal Motorradreisende getroffen zu haben, die auch noch das gleiche Alter haben und exakt dieselbe Route vor sich. Die Zeit, die wir zum fröhlichen Abenteurerpläuschchen benötigen, nutzt der Motor unserer Tätärä direkt um sich ein bisschen abzureagieren und sich im Schatten abzukühlen. Und dann kommt das Glück im Unglück. Als wir weiterfahren und viele Kilometer später in Samarkand ankommen, geht die rote Temperaturwarnleuchte an, genau zu dem Zeitpunkt, als wir zu unserem auserkorenen Guest House einbiegen.
Der Besitzer des Guest House versucht uns sogleich zu helfen, wie es in Zentral Asien üblich ist und fährt mit uns am nächsten Morgen zu einem Motorradschrauber, der unser Motorrad aber eher bestaunt als wissend betrachtet. Immerhin gibt er uns aber eine Adresse von einem „russischen Profi“ in Tashkent. Also gut, einen Versuch ist es wert. Also beschließen wir, am nächsten Tag direkt nach Tashkent zu fahren und sobald die Warnleuchte angeht, abzusteigen, den Motor abkühlen zu lassen und dann weiter zu fahren, bis wir dort sind. Vorsorglich fahren wir um 6 Uhr morgens los, wenn die Luft noch angenehm kühl ist. Das funktioniert dann auch für genau 140 Kilometer (etwas weniger als die Hälfte der Strecke). Dann jedoch sitzen wir nahe einer Polizeistation fest und müssen den Motor ausschalten, bevor er einen echten Schaden wegbekommt. Da die Polizisten in Zentral Asien bisher immer extrem nett zu uns waren, beschließen wir, sie um Hilfe zu bitten beim Anhalten von LKW. Denn wir haben uns überlegt, dass uns doch bestimmt ein netter LKW-Fahrer bis nach Tashkent mitnehmen kann, schließlich geht die Straße direkt durch die Hauptstadt. Die Polizeistationen sehen in Usbekistan aus wie Grenzgebäude mit einer Durchfahrt und mehreren Stoppschildern, an denen alle Autos anhalten müssen, um bei Bedarf einfacher rausgewunken werden zu können. Perfekt, um nicht auf einen LKW warten zu müssen, der auf unser Handzeichen reagiert – scheinbar haben wir nicht so viel Charme wie die bewaffneten Polizisten J…
Die Ordnungshüter und speziell ein Mann vom Inlandsgeheimdienst stellen sich mal wieder als sehr nett und hilfsbereit heraus und halten prompt jeden LKW-Fahrer an um nach Platz im Anhänger zu fragen. Irgendwann haben wir Glück und ein junger Usbeke mit Harakiri-Stirnband sagt: „Klar, kein Problem.“ Zu dem Zeitpunkt hielten wir das Stirnband noch für eine Hommage an vergangene Actionfilme und wussten nicht, dass es ein Statement für mehr Gefahr im Straßenverkehr darstellen sollte. Eine Rampe hat die Klapperkiste von 1948 (!) natürlich nicht, also heißt es alle Mann anpacken: Polizisten, zur Mithilfe zum Aussteigen bewegte Autofahrer, Ben und der Mann vom Inlandsgeheimdienst haben unsere übergewichtige Maschine kurzerhand einfach hochgehoben und irgendwie in den aus verschweißten Stahlplatten bestehenden Hänger geladen. Dort gab es allerdings keinerlei Zurrgurte, geschweige denn Halteösen an den Wänden. Also hat Ben sie einfach mit unserem Fahrradschloss an einem Stück Draht festgemacht und auf das Beste gehofft. Die nächsten drei Stunden (richtig, denn die Kiste fuhr nur 70 Km/h) waren die Hölle: alles wackelte und schepperte, wir saßen auf einer improvisierten Holzbank zusammengekauert und hielten innerlich schon Trauerzeremonien für unser treues Motorrad ab. Mit Blumen und Urne. Unser Harakiri-Retter grinste einfach und brummelte sein Dauermantra: „No problem!“ – und fuhr weiter, als wolle er sich für das Japanische Kaiserreich opfern.
In Tashkent telefonierte unser Fahrer dann mit dem „russischen Profischrauber“, der ihm eine Adresse nennen konnte. Dort mit zitternden Knien angekommen, trafen wir aber erstmal einen anderen Usbeken, der meinte ein Freund des Schraubers zu sein. Wir sollten in sein Auto einsteigen und der LKW würde uns dann zur Werkstatt folgen. Zu müde um nachzudenken nicken wir, steigen froh über die Abkühlung in seine klimatisierte Limousine und sehen dabei zu, wie der LKW einfach wegfährt, während unser neuer Gönner mit den Worten „be right back“ auch verschwindet. Moment mal, unser Motorrad ist gerade mit einem fremden LKW einfach abgehauen und schon nicht mehr in Sichtweite. Glücklicherweise waren wir für eine Panikattacke viel zu müde und taten, was wir so oft schon lernen mussten auf dieser Reise: Vertrauen üben. Und so kam der neue Gönner auch schnell zurück (er hatte für uns zwei Energydrinks gekauft – scheinbar sahen wir genauso mitleiderregend aus wie wir uns fühlten) und holte den LKW schnell ein. Bei der Werkstatt angekommen hieß es dann entladen (dabei ist das Nummernschild abgebrochen aufgrund der herausragenden Professionalität aller Beteiligter, besonders uns) und reparieren. Das dauerte dann auch etwa acht Stunden und endete mit: „Irgendwas stimmt nicht, aber ich bin nicht sicher was. Fahr einfach weiter und nimm Kühlwasser mit.“ Vorsorglich hat der extrem freundliche Schrauber den Thermostat entfernt, damit das Kühlwasser besser fließt und nicht mehr tropft, also sollten wir es nach Osch schaffen.
Osch? Ja genau, in der Kirgisischen Grenzstadt befindet sich der Hotspot für Motorradreisende in Zentral Asien schlechthin: der Muztoo Hostpoint. Eine von dem Schweizer Patrik betriebene Werkstatt mit beinahe europäischem Standard und angeschlossenem Anbieter führ geführte Seidenstraßen Touren. Patrik erkannte gleich zahlreiche Probleme, die Ben direkt peinlich waren: Luftfilter nicht ausgewaschen („Ben, hinter einem Motorradkoffer kann man sich nicht verstecken!“), Kühler verdreckt, Dichtung der Wasserpumpe porös, Kette hinüber nach nur 12.000 gefahrenen Kilometern, trotz teurer RK Kette und ohnehin Ölwechsel fällig. Dafür werden gleich noch die Koffer ausgebeult und abgedichtet und die Maschine ist am kommenden Montag abfahrbereit für den Pamir Highway. Wir haben uns dazu entschlossen ihn auf jeden Fall zu fahren, da wir ohnehin noch auf unser Paket von Polo und Heidenau warten müssen, das sich um bis zu 10 Tage verspätet und die Mongolei im Notfall eher ausfallen kann, als der Pamir. Gleichzeitig lernten wir dort noch ein nettes deutsches Pärchen kennen und den übertrieben relaxten Australier Zac, der uns abends zu einer Party in seinem Guest House eingeladen hat wo wir die deutsche Motorradreisende Lea kennengelernt haben, die uns noch wertvolle Tipps für Pamir geben konnte. Ein schöner Abend mit netten Leuten bei kühlen Getränken – besser geht es doch nicht nach all dem Trubel oder? Und kommt uns jetzt nicht mit Durchfall!
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Kai (Sonntag, 24 Juli 2016 16:51)
Marco (Montag, 25 Juli 2016 08:36)
Durchfall, die Reisekrankheit nummer Eins.
Hoffe es bessert sich wieder, denn ewig will man so sicher auch nicht weiter fahren.
clode (Montag, 25 Juli 2016 23:44)
Das liest sich alles unglaublich spannend und trotzdem so tiefenentspannt. Du bist echt in Phänomen! Es macht Spaß Eure Berichte zu lesen!
LG; clode
Carlos (Dienstag, 26 Juli 2016 19:38)
Hi bin gerade in Iran auf den Weg nach Thailand auch mit einer Z. Ich glaube, es tut den Motor nicht gut dass ihr diese Taschen seitlich dran habt. Bon route!
Tobi (Freitag, 12 August 2016 16:02)
Moin, ich habe meiner Z den unteren Kotflügel der R spendiert. Der ist innerhalb von wenigen Minuten montiert und verhindert, dass sich der Kühler zu sehr zusetzt. Außerdem bleiben die Hosen sauberer.
Gute Reise weiterhin und schöne Grüße aus Hamburg
Tobi