Iran: Paradoxes Land, umwerfende Gastfreundschaft

Gleich am ersten Tag in Iran wurden wir zum Essen und Übernachten von einer liebenswürdigen Familie nach Hause eingeladen. Schade: wir mussten am nächsten Tag weiter.
Gleich am ersten Tag in Iran wurden wir zum Essen und Übernachten von einer liebenswürdigen Familie nach Hause eingeladen. Schade: wir mussten am nächsten Tag weiter.

Was wurden wir im Vorfeld doch vor Iran gewarnt: "Also dieser Mullah da ist ein Fanatiker" - stimmt. Sehen auch die Einheimischen so. "Passt mit der Polizei auf. Die wollen euch um euer Geld bringen und sind extrem streng" - zu uns waren sie sehr freundlich, aufgeschlossen und neugierig - und korrekt. "Für Elli wird das ja schrecklich mit den religiösen Regeln. Da hat sie als Frau ja nichts zu melden." - sie trägt lange Kleidung und ein Kopftuch, das allerdings auch halb auf dem Hinterkopf sitzen darf. Diese Regeln nerven auch die Einheimischen, die wir getroffen haben, man tut es eben dem Regime und der eigenen Gesundheit zuliebe. Frauen verdienen im Iran übrigens genauso viel wie Männer - da könnten wir ja glatt noch was von lernen.

 

Aber es gab auch andere Stimmen im Vorfeld und zwar die von anderen Reisenden, die uns versicherten, dass die Iraner extrem gastfreundlich und liberal seien. Sie hatten Unrecht - sie sind extrem gastfreundlich, hilfsbereit, aufgeschlossen und liberal! Aber eins nach dem anderen.

Die Einreiseprozedur

Dass man sich in einem autokratisch geführten Land befindet merkt man zuerst an zwei Dingen: man wird an jeder Ecke mit Bildern von einem oder mehreren selbstverliebt dreinschauenden Männern begrüßt und die Einreise ist kompliziert. Das gilt auch für Iran, allerdings nur halb so schlimm wie erwartet. Anders als andere Reisende wurde unser Gepäck nicht nach Alkohol, Schweinefleisch und anderen lästigen Dingen durchsucht und die eigentlich für Ausländer verbotenen Mobiltelefone? "Passt schon, lasst sie einfach stecken", sagt der Grenzer mit einem Achselzucken.

Wir müssen unsere Reisepässe vorzeigen, das Carnet de Passage vom ADAC, das bescheinigt, dass wir für unser Fahrzeug eine fette Kaution hinterlegt haben und es nicht im Iran verkaufen wollen, die Fahrzeugpapiere und die grüne Versicherungskarte, die hier ungültig ist. Also heißt es eine 100-Euro-Versicherung für Iran abschließen (Zwang, wenn die eigene Versicherung Iran nicht abdeckt!).

Ein englischsprechender Iraner, kein offizieller Grenzer, wird uns zur Seite gestellt und erledigt alle Formalitäten mit uns - ein netter Kerl, der am Ende Geld dafür haben möchte, als wir nein sagen, aber grinsend mit den Schultern zuckt. Noch ein paar Fragen zu unserer Reiseroute und wir haben die Stempel im Pass - juhu!

 

Die LKW stauen sich auf türkischer Seite dreispurig über 18 Kilometer vor der Grenze!
Die LKW stauen sich auf türkischer Seite dreispurig über 18 Kilometer vor der Grenze!
Warm, aber grün: Irans Norden, direkt hinter der Grenze  zur Türkei.
Warm, aber grün: Irans Norden, direkt hinter der Grenze zur Türkei.
Die Landschaft ist eindrucksvoll, aber nach einiger Zeit auch recht eintönig.
Die Landschaft ist eindrucksvoll, aber nach einiger Zeit auch recht eintönig.

In der Wüste zu fahren ist kein Kinderspiel. Selbst wenn es keine hardcore Wüste ist, die nur aus Sanddünen besteht, ist man doch für jedes Wölkchen dankbar, das vorbeischaut.
In der Wüste zu fahren ist kein Kinderspiel. Selbst wenn es keine hardcore Wüste ist, die nur aus Sanddünen besteht, ist man doch für jedes Wölkchen dankbar, das vorbeischaut.

Über den Iran sprechen heißt, über die Iraner sprechen!

Zu gerne spricht man nur über den bärtigen Diktator, der im Namen des Islam ein ganzes Volk mit rigiden Regeln in Schach hält und Israel gerne auslöschen würde, weil die ja ohnehin von schlechtem Wetter bis zu fehlendem Weltfrieden an allem Schuld sind. Vielleicht haben wir auch noch die Bilder im Kopf, wie Protestierende 2009 von Milizen zusammengeschlagen und erschossen werden.

 

Alle diese Ideen über den politischen Iran sind aber nicht mehr als das: der politische Iran. Die Menschen selbst, die wir hier antreffen sind weltoffen, herzensgut und deutlich weniger religiös und streng als die Türken. In keiner der Haushalte, in die wir regelmäßig eingeladen und fürstlich beschenkt werden, wird z.B. Kopftuch getragen. Nach Hause kommen bedeutet: kurze Sachen anziehen, Kopftuch in die Ecke werfen, westliche Fernsehsendungen anschmeißen und über die Regierung schimpfen. Denn: In Iran gibt es weder Clubs noch Bars, noch andere Dinge, die Menschen abends tun können, um Spaß zu haben. Einer unserer Gastgeber sagt treffend: Spaß ist in Iran verboten. Das stimmt, allerdings nur so lange, wie man sich vor der Tür befindet. Zuhause sieht das anders aus.

Die Route & Landesdetails

Gefahrene Strecke: Dogubayazit - Isfahan

Gefahrene Kilometer: ~2.500

Zwischenstopps: Marand, Täbris, Ardabil, Bandar Anzali, Qazvin, Kaschan

 

Preisniveau: Auch nicht so günstig wie man denkt. Essen günstig,Hotels wirklich teuer, besonders gemessen an dem schlechten Standard  - unbedingt verhandeln und zwar überall!

 

Infrastruktur: Europäischer Standard.


Gast ist König! Und Freundlichkeit Trumpf!

Beim Tanken werden wir von einem Familienvater angesprochen, ob wir nicht bei ihm und seiner Familie übernachten und essen mögen - wir tun es! Die ganze Familie kommt dazu, wir essen, erzählen, genießen den Abend, schlafen dort, werden mit einem perfekten Frühstück geweckt und dürfen partout nichts bezahlen oder selbst mithelfen. An jeder Mautstation der iranischen Autobahn, werden wir überschwänglich begrüßt, uns wird von den Beamten sogar Essen geschenkt. In Teheran, mitten im Chaosverkehr, dem schlimmsten, den wir bisher hatten, reicht uns ein Autofahrer winkend und lächelnd eine kalte Limonade durch das Fenster. Wahrscheinlich aus Mitleid beim Anblick unserer angsterfüllten Gesichter... Wir könnten Zeile um Zeile so weiterschreiben, denn in Iran sind ALLE Menschen nett zu uns. Auch die Polizisten, vor denen immer gewarnt wird. Extrem aufgeschlossen und hilfsbereit. Wenn wir anhalten um zu pinkeln, oder unser Navi neu einzustellen, halten sofort Autos an und die Insassen fragen uns, ob wir Hilfe bräuchten, wie uns der Iran gefalle und sie freuen sich, dass wir hier sind. So etwas haben wir noch nie erlebt! Einfach nur schön! Und was die religiösen Regeln angeht: Kopftuch ist ein Muss. Aber als Tourist ist man etwas außen vor: obwohl wir während des Ramadan Iran bereisen, d.h. Essen und Trinken in der Öffentlichkeit per Gefängnisandrohung verboten, gilt das für Ausländer nicht wirklich. Das schlimmste was uns berichtet wurde von einer Schwedin war, dass Polizisten ihr beim Verzehren eines Sandwich nahegelegt haben, doch bitte in einen Park zu gehen, wo nicht so viele Menschen dabei zuschauen.

 

PS: Wir werden wiederkommen, alleine um unsere vielen neuen Freunde zu besuchen. Und wir sind erst seit einer Woche hier! So und jetzt Internet ausschalten und eine Iranreise buchen :-)!