Zwei Wochen kein Update - wir schämen uns ein bisschen. Aber nur ein bisschen, denn wir haben schlicht vergessen etwas zu schreiben. Das hat mehrere Gründe: zum einen war die Landschaft einfach atemberaubend, die Fahrt von Irkutsk über Baikal bis in die Mongolei kräftezehrend und ein trauriger Abschied erst stressig, dann emotional.
Bevor es allzu stressig wird, verbringen wir eine wunderbare Zeit bei unserem russischen Gastgeber Vasiliy, der ein teures Appartement mit Blick auf den Fluss Angara bewohnt und uns viel unter die Arme greift. Er rät uns dazu mit einem Bus auf die Baikal-Insel Olkhon zu reisen - das sei der schönste Ort im tiefsten und größten See der Erde. Wir sind schnell seiner Meinung, da unsere Kupplung jederzeit den Geist aufgeben kann und die Tätärä mittlerweile so schnell Kühlflüssigkeit verliert, dass wir kaum mit dem Nachfüllen hinterher kommen. Also heißt es eines morgens sechs Stunden Bus fahren und mit einer alten Fähre nach Olkhon übersetzen. Die Fahrt ist holprig - der Busfahrer fährt über Schotter- und Schlaglochpisten als seien Achsenbrüche ein Ammenmärchen, die Mitfahrer glänzen durch offene Münder beim Schlafen und ungünstige Körpergerüche. Eben alles ähnlich wie bei einer Busreise und exakt genauso wie unser aller Erinnerungen an diese eine Klassenfahrt, die wir alle schon erlebt haben, oder :-)?
Aber erst einmal auf Olkhon angekommen erfüllt der Baikalsee alles, was wir in unserer Überhöhung im Vorfeld erwartet haben: spektakuläre Sonnenuntergänge, tolle Landschaft und immer das Wissen im Hinterkopf, dass dieser See deutlich tiefer ist, als die meisten Meeresregionen auf unserem blauen Planeten. Wir lernen ein nettes französisches Pärchen und einen unglaublich entspannten Russen kennen und Wandern zusammen - eine rundum tolle Zeit! bevor wir uns wieder verabschieden beschließen wir, definitiv noch einmal im Winter herzukommen, wenn der See zu einer mystischen Winterlandschaft wird und komplett eingefroren ist. Wir können dir einen Besuch nur ans Herz legen, zumal der Tourismus langsam ausgebaut wird und es in Zukunft sicher schwierig wird, so allein und unbehelligt diese legendäre Landschaft zu erkunden.
Viel zu früh müssen wir die Segel streichen und in die Mongolei düsen, bevor unser Motorrad endgültig den Dienst einstellt. Zum Glück ist es nicht mehr besonders warm, sodass die ständig zu niedrige Kühlflüssigkeit nicht so sehr ins Gewicht fällt. Doch das Getriebe rasselt mittlerweile wie ein Perkussionsinstrument in der Hand eines Cracksüchtigen, die Kupplung trennt fast gar nicht mehr, manchmal ist es unmöglich zu schalten - und all das auf den ziemlich verlassenen Straßen zwischen Baikal und der mongolischen Hauptstadt Ulan Bataar. Aber hey, es hat funktioniert. Nach einer Nacht im Hotel auf der russischen Seite der Grenze geht es endlich in die Mongolei. Anders als geplant - schließlich wollten wir über das Altai im Westen über die Nordroute die verlassenen Regionen des Landes erkunden und fahren nun stattdessen über geteerte Straßen in die Hauptstadt, um von dort die Tätärä nachhause zu schicken. Reparatur ist angesagt. Zum Glück haben wir mit der Spedition LOXX Pan Europa einen tollen Spediteur gefunden, der uns sehr schnell, kompetent und günstig einen Plan ausgeheckt hat. Falls du also jemals dein Bike aus dieser Region in die Heimat schicken willst - erspar dir die Umwege und schreibe eine Mail an Fabian Klassen von Pan Europa! Also, Frust herunterschlucken, über die kleinen guten Neuigkeiten freuen und den Weg nach Ulan Bator genießen, der es uns wirklich auch leicht macht, genau das zu tun.
Als wir nach knapp dreihundert Kilometern geschwungenen Bergen, sich sanft im Wind wiegenden Grasmeeren und Unmengen von freilaufenden Pferden Ulan Bator erreichen, sind wir nicht schlecht überrascht: diese Stadt ist echt modern, fast europäisch! Hier fahren schicke Autos an gläsernen Wolkenkratzern vorbei und junge Menschen futtern sich bei KFC die Pickel ins Gesicht, während draußen die Smartphone-Zombies ihre Runden drehen. Der Verkehr ist zwar die Hölle, aber nach zwei Stunden Gurkerei durch das Stadtgebiet erreichen wir ein Guest House vor Ort, von wo aus unsere Tätärä nach Deutschland zurückgeschickt werden soll. Also erledigen wir in den folgenden Tagen den lästigen Papierkram vor Ort, verbringen eine tolle Zeit mit einem Couchsurfer namens Benjamin, einem Deutschen, der an einer mongolischen Schule Deutsch lehrt und genießen die vielen koreanischen Restaurants. Nach vier Tagen ist es dann so weit und unsere Tätärä steht in einer Transportkiste. Jetzt wird uns richtig wehmütig ums Herz, da wir sie eigentlich nicht gehen lassen wollen. Aber wir haben nur mit viel Mühe überhaupt noch Ulan Bator erreichen können, da die Maschine auf den letzten Metern häufig einfach ausgegangen ist. Vernunft hat gesiegt - fühlt sich aber nicht immer gut an. Denn: als wir unser gehasst und doch geliebtes Töff da stehen sehen, ziehen all die Bilder der letzten vier Monate in unseren Erinnerungen vorüber. Die harten Pisten, der Schweiß, teilweise die Angst, aber auch das Hochgefühl, etwas Außerordentliches bewältigt zu haben. Das innere Jauchzen kommt wieder, als wir in den Fußrasten stehend durch Sandverwehungen fliegen und über Geröll donnern. Das verwegene Gefühl, neben unserem treuen Sorgenkind mit 50 PS an einem verlassenen Bergsee auf 4200 Metern zu campen und die Sterne zu zählen...
Auf der Habenseite steht allerdings, dass wir mit La Vina und Lenny ein super nettes deutsches Pärchen kennenlernen, die uns in ihrem gemütlichen Camper-Van mitnehmen nach Ulan Ude in Russland. Denn von dort werden wir morgen die Transsibirische Eisenbahn nutzen, um Ellis kranke Mutter in Voronezh zu besuchen, bevor wir nach Vietnam weiterfliegen. Das wollte Ben schon immer mal machen! 95 Stunden den besten Film vor dem Fenster ablaufen sehen: Natur pur!
Zu der Fahrt mit La Vina und Lenny fehlen aber noch ein paar Worte, denn da ihr Van zwar urig aber auch extrem lahm ist, mussten wir ein ganzes Stück vor der Grenze anhalten und in die Rabatten fahren, um dort wild zu campen - mal wieder eine tolle Erfahrung. Dass ein Wildpferd nachts direkt neben unser Zelt geäpfelt hat wurde da schnell zur Randnotiz, denn es war dermaßen kalt in der Nacht, dass Elli kein Auge zubekommen hat. Die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sind in der Mongolei zu dieser Jahreszeit wirklich erbarmungslos. Dafür wurden wir mit einem tollen Abend bei Kerzenschein unter einem grandiosen Sternenhimmel mit zwei netten Mitreisenden belohnt - bessere Reisegründe gibt es nicht!
Kommentar schreiben
Pea (Donnerstag, 15 September 2016 22:23)
Grossartige Bilder!
Thomas Sommer (Samstag, 17 September 2016 01:23)
Bei den Bildern muss man wirklich sagen: Genießt wirklich jede Sekunde Euerer Reise, spektakulär, fantastisch, sagenhaft!!! Bleibt gesund, das ist das Wichtigste!!
Peter Beerbom (Montag, 26 September 2016 10:59)
Tolle Gegend, tolle Bilder... da kommt schon etwas Neid auf ;-)
Wie bekommt ihr denn euer Mopped zurück?
Rossi (Montag, 09 Januar 2017 22:21)
Hi !
Ich habe noch nicht alles gelesen, aber kommt das Mopped zurück?
Weiterhin viel Spaß und gute Reise!
Gruß, Rossi