Vom Inselparadies in die Grüne Hölle

Pulau Weh hat uns als echtes Taucherparadies empfangen, allerdings auch mit einer Menge Regen, die wir gar nicht für physikalisch möglich gehalten hätten. Nach ein paar Tagen echter kulinarischer Highlights entschließen wir uns deshalb unser Glück auf Sumatra zu machen und einen der einzigen drei Regenwälder der Welt zu erkunden – der zusätzlich eine der zwei einzigen Orang-Utan Arten beherbergt und der einzige Ort der Welt ist, an dem der knuffige Thomas Leaf Monkey lebt. Also – auf ins Abenteuer!

Paradiesinsel im Mosun

Pulau Weh also, das angeblich touristenarme Taucherparadies direkt auf dem nullten Breitengrad – unter Insidern auch lapidar Äquator genannt – soll uns ganze zehn Tage glücklich machen. Tut es letztendlich auch, trotz heftigem Monsunregen. Denn nach fünf Tagen Dauerdusche entschließen wir uns dazu, nicht auf besseres Wetter zu hoffen, sondern an einen ganz speziellen kulinarischen Ort zu gehen – zu „Freddies“! Die Entscheidung fiel uns leicht, wissen wir doch aus Deutschland nur zu gut, wie sinnlos es ist auf besseres Wetter zu hoffen. Abgesehen davon haben wir von Freddies schon eine Menge gehört. Als wir dort ankommen sind wir begeistert von der Schönheit der Anlage und der berührenden Lebensgeschichte, die uns Freddie, ein Südafrikaner erzählt: Er kam 2004 als Katastrophenhelfer nach dem Tsunami mit einer NGO nach Banda Aceh, direkt auf Sumatra, keine 30 Kilometer von der Insel Pulau Weh entfernt. Er habe nach dem Anblick des Leids und der Zerstörung, die schätzungsweise allein 300.000 Todesopfer in der unmittelbaren Region gefordert haben, so viel geweint wie noch nie und ist seitdem dort, bzw. auf Pulau Weh geblieben. Er hat den Menschen dort, die alle ihre Unterlagen verloren haben, darunter auch Zeugnisse und Arbeitsbescheinigungen, Arbeit gegeben, indem er ein kleines Resort aufgebaut hat, das keinen Gewinn abwirft, sondern jeglichen Umsatz direkt wieder in das Resort und seine vielen Mitarbeiter fließen lässt. Und das sieht man diesem speziellen Ort an. Er ist zwar etwas teuer für die Bungalows ohne Klimaanlage, dafür gibt es einen tollen Ausblich und vielen Einheimischen, die vorher keine Existenz mehr hatten, wird ein guter Job geboten. Und das Essen – haben wir schon von dem Essen geschwärmt? Umwerfend. Freddie kocht hier jeden Abend ein 4-Gänge Menü, von dem das dritte ein reichhaltiges Buffet mit internationalen Köstlichkeiten ist, das an Kreativität und Geschmack bisher unerreicht ist auf unserer Reise. Wenn du mal nach Pulau Weh gehst, geh bei Freddie schlemmen! Zumal der Preis für dieses Luxus-Abendessen mit gerade einmal knapp 5 Euro pro Person zu Buche schlägt. Ulkig ist auch, dass das Essen von Freddie selbst jeden Abend verlesen wird, mit allen Zutaten und Finessen – urig!

Dschungel ist besser als Monsun!

Doch auch wenn das Essen toll ist, müssen wir nach fünf Tagen doch die Segel streichen, da der Bungalow für indonesische Verhältnisse sehr teuer ist und wir die Reisekasse schonen müssen. Also machen wir uns diesmal nicht mit der Rostfähre, sondern einer schnelleren, moderneren auf nach Banda Aceh – schließlich würde es uns nicht wundern, jederzeit vom Untergang der Autofähre in den Nachrichten zu hören, so grottig sah sie aus. Gut, dass wir die Hinfahrt überlebt haben. In Banda Aceh verbringen wir noch zwei schicke Nächte am Lampuuk Beach, dem Surfer Paradies schlechthin in der Region, nur, dass wir statt braungebrannter Surfer mit keckem Grinsen bloß Angler sehen, da den werten Herren scheinbar die ablandigen Winde nicht genehm sind. Soso. Aber wir haben ohnehin beschlossen, Orang-Utans zu sehen, gibt es doch nur zwei Orte auf der Welt, wo man diese direkten Evolutions-Nachbarn noch bestaunen kann. Als erstes denken wir an Bukit Lawang, wo so ziemlich jeder Tourist als erstes landet, wenn es um die ulkigen Menschenaffen geht. Dort befindet sich eine Auffangstation für die Primaten, die dort auf ihre Auswilderung vorbereitet werden sollen. Füttern und anfassen inklusive – wie im Reiseprospekt eben. Wollen wir nicht. Da kommt der Rat einer launigen Minimarkt-Besitzerin gerade gelegen, die uns sagt, dass man mit etwas Leidensfähigkeit auch tief in den Dschungel nach Ketambe reisen kann um dort mit einem Guide im Dschungel zu verschwinden. Denn, so versichert sie uns, die Chance dort wilde Orang-Utans zu sehen, sei sehr, sehr hoch…

20 Stunden Horrorfahrt im Minibus

Gesagt getan, und so befinden wir uns schon bald auf einer über 20-stündigen Fahrt in einem überfüllten Suzuki-Minibus. Aus den aufgemotzten Boxen der Schrottkarre dröhnt indonesischer Party-Pop in grenzwertiger Lautstärke, während wir uns teilweise zu fünft in eine Dreierreihe quetschen und versuchen die Hälse aus dem Fenster zu recken, da der Busfahrer und die männlichen Mitfahrer allesamt Kettenraucher sind, so wie wirklich JEDER indonesische Mann. Da merken wir mal wieder, wie gut die Raucherächtung in Deutschland uns gefällt (sorry, liebe Zichtenliebhaber J). An Schlaf ist also kaum zu denken, selbst bei der Nachtfahrt nicht, also sind wir ziemlich fertig, als wir endlich in Ketambe ankommen, einem kleinen 500-Seelen-Dort mitten im Dschungel, weit entfernt von so ziemlich allem. Nur eine Handvoll Touristen treffen wir hier in den drei Tagen Aufenthalt, dafür aber den Ranger Jack, der uns für eine Nacht und zwei volle Tage mit in den Dschungel nimmt, um uns Orang-Utans und allerlei andere schicke Tiere zu zeigen, die wir vorher gar nicht kannten. Und er hat nicht zu viel versprochen: während wir durch die erstaunlich laute „grüne Hölle“ marschieren und uns durch die ebenso unglaublich dichte Vegetation kämpfen, sehen wir eine Orang-Utan Mama mit ihrem Jungen, Thomas Leaf Monkeys, mit ihren niedlichen Gesichtchen und der Irokesenfrisur, eine fies getarnte Viper, hunderte frecher Makaken und sogar einen Nashornvogel. Leider wissen wir auch bald, warum Jack uns Blutegelsocken ausgehändigt hat: Die ekligen Viecher sind überall, und sobald wir stehen bleiben, sehen wir auf dem Boden meist gleich ein Dutzend, das sich auf uns zubewegt, wie Metallspäne auf einen Magneten. Den Biss spürt man nicht und selbst wenn sie sich vollgesogen haben und einfach abfallen, spürt man nichts. Darum ist der Schreck umso größer, wenn plötzlich ein Körperteil oder ein Stück der Kleidung aussieht als würde man in den nächsten Minuten ausbluten. Im Gebiss der Blutsauber befindet sich wohl ein Blutverdünnungszeug, das die Blutgerinnung verhindert. Darum hat es bei Ben einen ganzen Tag gedauert, bis eine Bisswunde sich wieder geschlossen hat.

Mit einem Ranger in den Dschungel

Schon beim Wandern ist uns mulmig zumute, da wir uns im Territorium des Sumatra Tigers befinden, der hier noch heimisch ist. Als vor uns ein Wildschwein durch den Dschungel rast, bleibt uns für kurze Zeit das Herz stehen, da wir schon einen Angriff der gefährlichen Raubkatze befürchten. Als Jack uns auf die Frage, was zu tun sei, wenn wir einem Tiger begegnen ohne Spaß sagt, wir sollten so schnell fortlaufen wie wir können, bessert sich unser mulmiges Gefühl nicht. Schlimmer wird es aber in der Nacht, da wir in einer Art improvisiertem Zelt schlafen: Eine Plastikplane auf dem Boden, deren Ränder hochgezogen sind, und eine schräge Plastikplane, die wie ein Dach über dem Boden gespannt ist, sind der ganze Schutz, den wir genießen. Isomatten gibt es nicht, lediglich harte, nicht mal 5mm dicke Matten, die uns Jack und sein Onkel spendieren. In der Nacht schlafen wir darum nicht viel, zumal es gießt wie aus Eimern, so finster ist wie die Ansichten eines Donald Trump und sich überall Schlangen aus ihren Löchern bewegen, um die vom Regen aufgeschreckten Frösche zu schnappen. Als wir nachts nicht von Schlagen gebissen, oder von Tigern gefressen werden, sind wir morgens doch einigermaßen erleichtert und schwimmen erst einmal eine Runde im reißenden Gebirgsfluss, direkt vor unserem Nachtlager, der eine willkommene Abkühlung verheißt. Dabei ist es nachts überraschend kalt gewesen im Unterschied zum Tag. Hier sehen wir auch einen Nashornvogel, den noch nicht einmal unser Ranger aus solcher Nähe gesehen hat und sind ganz entzückt von diesem riesigen, bunten Geschöpf. Makaken sehen wir natürlich auch. Die sind im Prinzip überall, treten immer in Gruppen auf uns sind unglaublich neugierig und frech. Mit ihnen kann man sich launige Verfolgungsjagden liefern – Ben haben sie gar seine Boxershorts geklaut, als er sie zum Trocknen auf einen Stein gelegt hat. Schweine, diese Affen!

Raus aus dem Dschungel

Am Abend dieses zweiten Tages sind wir doch erleichtert, wieder in Ketambe zu sein und eine ruhige Nacht im Guest House zu verbringen. Der Dschungel ist eine tolle, intensive Erfahrung, doch war uns auf Dauer zu mulmig zumute und die vielen gefährlichen Tiere mischen sich mit dem fiebrigen Klima und dem verrottenden Dschungelboden zu einem seltsamen Mahlstrom aus Tod inmitten von unglaublich viel Leben und einer Umgebung, die absolut fremd und menschenfeindlich wirkt. Wenn wir mehr darüber nachdenken macht es auch Sinn, dass die grüne Lunge unseres Planeten, so gefährlich ist. Schließlich produzieren die drei Regenwälder der Erde zusammen 80 Prozent des weltweiten Sauerstoffs. Gott, die Natur, oder wer auch immer hat also durchaus sinnvoll gehandelt, als er diesen Ort zu einem eher lebensfeindlichen gemacht hat. Schade, dass wir ihn heute abholzen! Apropos abholzen: wir waren schockiert, dass wir aus reiner Profitgier unsere Lebensgrundlage vernichten und blind in Kauf nehmen, eine Welt mit zu wenig Sauerstoff zu erschaffen, die uns ersticken lässt. Diese zukünftige Atemnot wird auch kein Kortison mehr heilen können. Darum empfehlen wir dir dringend, dir die Klimadokumentation von Leonardo DiCaprio anzuschauen, die es hier kostenlos zu sehen gibt, inklusive einigen Szenen in: Ketambe! In dem Film geht es auch um Dinge, die jeder von uns fürs Klima tun kann, ohne gleich nur noch Brei zu essen oder aus Einmachgläsern Leitungswasser zu schlürfen.

Vulkane wie Sand am Meer

Nach Ketambe beschließen wir, uns einen der vielen aktiven Vulkane Sumatras zu besteigen, den Sibayak. In der dortigen Stadt, Berastagi angekommen, machen wir erst einmal lange Gesichter, als eine Dame im Guest House uns sagt, wir könnten den Sibayak ruhig erklettern, aber sein Nachbar, der Sinabung sei gerade gesperrt, weil er momentan ausbricht. Na toll. Da sie über diese Ansage jedoch keinen Schweiß verliert, entscheiden wir, dass solche Eruptionen scheinbar gängig sind und schauen uns den Vulkan an, aus dessen Krater riesige Schwefel-Gas Fontänen spritzen und für einen bizarr-apokalyptischen Anblick sorgen. Da hat sich die stundenlange Wanderung mehr als gelohnt! Noch am gleichen Tag machen wir uns zu einem weiteren Vulkan auf, besser gesagt, einem „Super Vulkan“: Der Lake Toba, mit seinen über 85 Kilometern Länge ist einer der größten Vulkane der Welt, der vor 75.000 Jahren ausgebrochen ist und die Welt unter einer Aschewolke begraben hat, die eine Eiszeit auslöste. Heute befindet sich in dem Krater eben jener Tobasee mit seiner Insel Samosir. Hier ist das Wetter schön, da die hohen Berge (der Kraterrand) um den See, die Regenmassen abhalten und der See selbst für ein relativ kühles Klima und trockene Luft sorgt. Hier entspannen wir uns einige Tage bei absoluter Ruhe, in einem Bungalow direkt am Wasser, denn als nächstes geht es nach Tangkahan, zu einer Elefantenstation im Dschungel und dann zurück nach Singapur. 


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